Der Hanglage folgend
Text: Heinz-Gert Woschek • Fotografie: Medium Large
Das Weingut ist für den ankommenden Besucher kaum erkennbar. Dies entspricht dem Selbstverständnis der Bauherren, denen es nicht darum geht, die Größe des mittlerweile 30 ha großen und weit über die Südoststeiermark bekannten Weinguts nach außen zu zeigen. Kaum jemand versteht das so gut, wie der Architekt Andreas Burghardt, der diese gewünschte Zurückhaltung in ein zeitloses Design gegossen hat, das auch nach über 20 Jahren nichts von seiner Modernität verloren hat.
Efeupflanzen ranken sich an Stahlseilen empor, die wiederum an einem scheinbar über das Gebäude gestülpten Stahlgerüst befestigt sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nur noch wenig sichtbaren weißen Betonwände von der immergrünen Wand gänzlich geschlossen sind. Ein Schild mit der Aufschrift Weinverkauf« leitet zu einer hohen, schlicht gehaltenen Eingangstür. Innen blickt der Besucher auf die vollflächige Glasfront gegenüber, die bereits weitgehend von dem außen herabhängenden Efeu verdeckt ist.
Die drei großen, apricotfarbenen Pendelleuchten davor stehen im Kontrast zu dem – gerade bei Sonneneinstrahlung – hellen Grün des Efeus. Die Leuchten, die auch im unteren Verkostungsbereich hängen, entstanden nach Burghardt Entwurf als Sonderanfertigungen. Die nach unten führende Treppe ist mit Ulmenholz verkleidet und wirkt durch die feine Struktur des Materials elegant und zurückhaltend. Über die Treppe gelangt der Besucher in den offen gehaltenen hellen Verkostungsbereich mit einer großen Glasfront und Blick auf die dahinter liegende Außenterrasse. Die Decke, Wände und Säulen aus Sichtbeton stehen hier im Kontrast zum Eichenparkett sowie zu den ebenfalls aus Ulmenholz gefertigten Holzverkleidungen. Bewusst wurde auf eine Theke verzichtet; stattdessen können Weine an dem wiederum aus Rüster gebauten und von Andreas Burghardt entworfenen langen Stehtisch von mehreren Gästen gleichzeitig verkostet werden. Eine kleine, seitlich unterhalb der Treppe integrierte Nische aus demselben Holz bietet Sitzmöglichkeiten.
Der Blick nach oben reicht von hier aus bis in das obere Geschoss. Daneben ist, direkt an der Treppe, ein Regal für Wein-und Buchpräsentationen untergebracht. Auf der anderen Seite befindet sich, durch eine Schiebetür abtrennbar, ein großer Verkostungsraum: Eindrucksvoll sind die Wände bis unter die Decke in zehn übereinanderstehenden Lagen mit leeren Weinflaschen gefüllt.
Gleich einer an zwei Seiten geöffneten Schnecke zieht sich die Installation durch den gesamten Raum und trennt diesen so in einen vorderen kleineren und den hinteren größeren Bereich.
Dem Architekten war sehr daran gelegen, Flaschen in der genau richtigen Farbe zu finden: Einerseits sollte noch genügend Licht durch die »Flaschenwand« durchgelassen werden, um so die Gesamtgröße des Raums erfassen zu können, gleichzeitig sollte die Wand nach seiner Vorstellung ausreichend als Sichtbarriere die Räume voneinander trennen. Mit der Wahl eines historischen Altgrün ist ihm dieser Spagat in beeindruckender Weise gelungen. Auch hier sind es die Pendelleuchten, die stark raumgestaltend sind und in Kontrast zur Sichtbetondecke und dem Eichenparkettboden stehen. Zwei von Burghardt entworfene und von seinem Tischler Helmut Klar aus Wien gebaute Tische im hinteren sowie ein Tisch im vorderen Bereich bieten Platz für jeweils etwa zehn Personen. Als Bestuhlung wählte Andreas Burghardt einen Klassiker der 1950er-Jahre: den »Stadthallenstuhl«, den der österreichische Architekt Roland Rainer für die Bestuhlung der Stadthalle in Wien entworfen hat und der heute wieder produziert wird.
Daneben verbindet ein Aufzug die Geschosse und ermöglicht den einfachen Transport von Weinkisten aus dem Kommissionierungslager in die oberen Etagen. Angrenzend ist die Vinothek untergebracht. Durch die große Glasfront, die diese optisch mit dem Verkostungsraum verbindet, sind die gut temperiert gelagerten Raritäten sichtbar. Wer Christoph Neumeister bei seinen Schilderungen zuhört, spürt schnell, wie intensiv er sich mit der hier umgesetzten Architektur identifiziert. Andreas Burghardt, der im Anschluss auch noch das zum Haus gehörende Haubenrestaurant Saziani sowie die örtliche »Greißlerei«, einen Verkaufsraum für regionale Produkte, in der Ortsmitte umgebaut hat, ist es in Straden gelungen, eine anspruchsvolle zeitlose Architektur zu schaffen, die, wie Christoph Neumeister es formuliert, auch »in 20 Jahren noch gut anzuschauen ist«.